Einladung zur Hochzeit von Haus und Auto

Veröffentlicht am 1. Oktober 2020

Frank Schade, Jahrgang 1969, Diplom-Ingenieur, Fahrzeugtechnik schlug vor, in Verbindung mit der E-Mobilität ein innovatives Heimenergiesystem als neues Geschäftsfeld zu entwickeln. Die selbst gestellte Aufgabe setzt er als Projektgeber im Innovationsfonds 2 um. (Foto: eMobilie.de)

Die CO2-Bilanz unserer Wohngebäude wurde aktuell genau untersucht - von der Errichtung, über den gesamten, mindestens 50-jährigen Lebenszyklus - und als umfangreiche Buchpublikation veröffentlicht. Das neue Buch „Masterplan eMobilie“ bewertet dabei alle Emissionen und zeigt, wie Gebäude durch dezentrale erneuerbare Energie das Ziel der Klimaneutralität erreichen, damit wir CO2-frei wohnen und fahren können, quasi eine Einladung zur Hochzeit von Haus und Auto.

Erstmals sind grundlegende energetische Analysen, konkrete Ziele und technologische Lösungen in einem Werk versammelt: Wie hoch ist die CO2-Emission für die Errichtung eines Einfamilienhauses? Wie viel Kilogramm CO2 dürfen wir im Jahr 2050 pro Person und Jahr für Wohnzwecke maximal emittieren? Und wie konzipiert man Gebäude so, dass die CO2-Belastung von dessen Errichtung in weniger als einer Generation getilgt wird?

Mit modernen Baustandards allein ist Klimaneutralität im Wohngebäude nicht zu erreichen. So die Überzeugung von Dr. Andreas Piepenbrink, Mitherausgeber der Untersuchung und Geschäftsführer des Osnabrücker Stromspeicher-Spezialisten E3/DC. Die Perspektive, die „Masterplan eMobilie“ in Theorie und Praxis aufzeigt, liegt in vollelektrischen Gebäuden, die Solarstrom selbst erzeugen und in allen Sektoren – Haushalt, Wärme und Mobilität – effizient nutzen.

Die innovative Vernetzung der PV-Anlage auf dem Dach mit einem intelligenten Speichersystem, einer Wärmepumpe und dem Elektroauto ist der Kern des Ganzen. Dass dies bereits in der Praxis erfolgreich umgesetzt wird, dokumentiert das Buch anhand neu gebauter Einfamilienhäuser ebenso, wie durch sanierte Bauernhäuser aus den 1830er und 1950er Jahren und das erste klimapositive 10-Familienhaus in der Alpenrepublik Schweiz.

„Die eMobilie ist eine Immobilie”, definiert Dr. Andreas Piepenbrink, „die alle Energie, die ihre Bewohner brauchen, selbst regenerativ produziert, speichert und intelligent managt – inklusive E-Mobilität.“ Der Stromspeicher-Spezialist E3/DC hat seit 10 Jahren das Hauskraftwerk als Kern der privaten Energiewende konsequent weiterentwickelt. Mehr als 32.000 Hausbesitzer nutzen inzwischen ein Hauskraftwerk, um sich unabhängig mit Energie zu versorgen und dabei CO2-Emissionen zu vermeiden. Und der nächste Schritt der Vernetzung wird gerade vorbereitet: Das bidirektionale Laden vom Haus ins E-Auto und vom E-Auto ins Haus erweitert die eigene Nutzung regenerativer Energie und stützt die Netze.

Im neuen Buch gibt neben E3/DC auch Volkswagen einen spannenden Einblick in bevorstehende Entwicklungen. Auszug: „Beim Weltkonzern VW ist alles ein paar Nummern gewaltiger als bei anderen. Voluminöser. Gigantischer. Als Herbert Diess, der Vorstandschef, vor zwei Jahren als strategisches Ziel für den Konzern „bilanzielle CO2-Neutralität“ bis 2050 verkündete, lag auf der Hand, dass hier nichts weniger als ein Jahrhundertsprung ansteht.

Last Exit: Autos ohne Auspuff! Die Folge – eine CO2-neutrale automobile Zukunft. Zigtausende Kollegen in der klassischen Motoren- und Getriebemontage zum Beispiel werden eine andere Beschäftigung brauchen. Der Konzern ist gefordert, parallel zum radikalen Umstieg auf Elektrofahrzeuge, zukunftstaugliche Geschäftsbereiche neu zu erschließen. Dafür hat VW den Innovationsfonds 2 eingerichtet.

Meno Requardt, Jahrgang 1971, Wirtschaftsinformatiker, Geschäftsführer bei Volkswagen Immobilien, in dessen Gebäuden die Prototypen des Innovationsfonds 2 installiert sind, findet Quartierslösungen vielversprechend. (Foto: eMobilie.de)

Marco Perschke, Jahrgang 1969, Diplom-Ökonom, jetzt Partner im Innovationsfonds 2-Projekt. Gemeinsam mit Frank Schade arbeitet er daran, die CO2-Neutralitätsstrategie mit der Vernetzung von Hausspeicher und E-Mobilität umzusetzen. (Foto: eMobilie.de)

Faszinierende Idee – erst recht in gigantischen VW-Dimensionen

Frank Schades (Technischer Manager im VW-Konzern) Vorschlag: „In Verbindung mit der E-Mobilität ein innovatives Heimenergiesystem als neues Geschäftsfeld aufbauen.“ So sollen in naher Zukunft jedes Jahr weltweit neben Millionen E-Pkw auch Millionen Heimenergiesysteme produziert werden.

Bisher hat jeder Beteiligte sein Energie- und CO2-Problem isoliert betrachtet: Die Gebäude ihre Photovoltaik und Heimspeicher und die E-Autos ihre Batterien. Frank Schade und Marco Perschke, Projekthelfer bei der Volkswagen AG, sehen in der energetischen Kopplung beider Partner gigantische Vorteile – auf Gegenseitigkeit: Die Häuser müssen ihre Solarstromüberschüsse nicht mehr ins Netz verschleudern, sondern nutzen sie zum extrem kostengünstigen und CO2-neutralen Laden der Elektroautos.

Die Autobatterien wiederum, über eine bidirektionale Wallbox an den Heimspeicher angeschlossen, vervielfachen auf einen Schlag die gesamte Speicherkapazität. Der Eigenverbrauch geht hoch, die Kosten für Haus und Mobilität sinken spürbar.

Die beiden Innovatoren legen nahe, diese erhöhte Gesamtspeicherkapazität für die Entlastung des Stromnetzes bei Über- oder Unterangebot zu verwenden und künftig durch die Vergütung von netzdienlichem Verhalten eine zusätzliche Einnahmequelle zur Amortisation zu eröffnen. Das Brillante an diesem Konzept ist, dass es beiden Seiten zugleich die Chance zu einer nachweisbar CO2-neutralen Nutzung bietet.

Wie beim Gebäude, entscheidet auch beim E-Pkw die CO2-Bilanz der Nutzungsphase über „Gut und Böse“: Ein Diesel-Pkw der neuesten Motorgeneration emittiert 111 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer. Ein E-Auto drückt die CO2-Last auf 57 g/km – wenn es mit dem Mix aus dem deutschen Stromnetz geladen ist, der ja auch nicht als unbelastet durchgeht. Wird derselbe E-Pkw ausschließlich mit regenerativem Strom beladen, sinken die CO2-Emissionen auf 2 (zwei!) Gramm je gefahrenem Kilometer.

Genau das wollen Frank Schade und Marco Perschke mit ihrer intelligenten Vernetzung von Hausspeicher und E-Auto in großem Stil ermöglichen. Kostengünstig für alle Beteiligten: Je gravierender ein ernsthafter CO2-Preis in solche Rechnungen eingreift, desto besser fallen sie für den Haus- und E-Auto-Besitzer als Betreiber des Speicherverbunds aus.

Aus Sicht von Frank Schade führt die bidirektionale DC-Ladetechnik dazu, dass ein Wechselstrom/Gleichstrom-wandelndes Ladegerät im Fahrzeug unnötig wird. Potenzial für Kosten-, Komplexitäts- und Gewichtsreduzierung.

Aus Sicht des privaten Hauseigentümers verringert die Verknüpfung der Photovoltaik-Anlage und der Batteriespeicher in Haus und Fahrzeug durch Gleichspannungskopplung die Umwandlungsverluste erheblich. Der Anteil nutzbaren Eigenstroms wächst entsprechend.

Schaffen denn die Batterien ihren neuen Zusatzjob?

Frank Schade ist sich sicher: Die schaffen das. Obwohl die Zyklenbelastung der Fahrzeugbatterie steigt, kann die Mehrbelastung durch die Kopplung mit dem Haus durch eine intelligente, vernetzte Steuerung so geregelt werden, dass sie durch eine geringere kalendarische Alterung teilweise kompensiert werden kann.

Die bisher übliche Beziehung von E-Pkw und Haus ist weder effizient noch intelligent, kritisiert auch Marco Perschke: Das Auto kommt abends nach Hause, belädt sich aus dem tagsüber gefüllten Hausspeicher oder dem Netz bis an die Kante – um am nächsten Morgen schlappe 20 Kilometer zur Arbeit zu fahren. Intelligente Partnerschaft geht anders.

Nämlich so: Jeder muss mit jedem ständig alle vorhandenen Informationen über den energetischen Ist-Zustand mit dem voraussichtlichen Ladezustand und dem prognostizierten Bedarf im nächsten Zeitzyklus kommunizieren. Wer braucht wann heute Abend, heute Nacht, morgen früh wie viel Strom aus dem gemeinsamen Speichersystem – wer kann, exklusive Sicherheitsaufschlag, wann wie viel Energie ins System einbringen?

Das zum Bespiel leistet intelligentes Speichermanagement, sagt Marco Perschke. Damit ist auch die Frage beantwortet, weshalb im Innenhof von VW-Immobilien Wolfsburg (vor der Infotafel zu ihrem Projekt) Wallboxen von E3/DC stehen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass man sich bei VW die Frage stellt: Warum bauen wir das nicht selber? Die Antwort: Weil E3/ DC als Innovationsführer am Markt sieben Jahre Vorsprung hat. In der Hardware hausspeichertauglicher Wallboxen und funktionsfähiger bidirektionaler Ladesäulen, vor allem aber in der Software. Für eben diese schlaue Kopplung von Auto- und Hausspeichern in einem verlässlich funktionierenden System.

Mehr als ein E-Auto im Intelligenten Speichermanagement

Vom CO2-Neutralitätsziel her gedacht, ist die Vernetzung des einzelnen E-Pkw mit dem Heimspeicher eines Einfamilienhauses ein begeisternder Anfang. Die Ingenieurslogik sagt: Je mehr Autobatterien sich in einem Gebäude zu einem bidirektionalen Speichersystem koppeln, desto besser.

Aber: Wie viele Mehrfamilienhäuser gibt es, die für eine größere Zahl Wohnungen ausreichend regenerative Energie erzeugen und speichern können für Komfortstrom, Heizung und mehrere E-Autos? Nächste Frage: Könnten Elektroautos ihre Batterien nicht tagsüber beim Arbeitgeber mit grünem Solarstrom aufladen – abends nach Hause mitbringen und dort einspeisen?

Meno Requardt findet als Geschäftsführer bei Volkswagen Immobilien solche Überlegungen sympathisch, aber bei den geltenden gesetzlichen Regelungen schwer bis gar nicht zu realisieren. Dazu wäre zum Beispiel eine finanzielle und steuerliche Abgrenzung zwischen dem Eigenstrom von zuhause und dem vom Arbeitgeber nötig.

Das wirft erneut die Frage nach den Möglichkeiten und Notwendigkeiten CO2-neutraler energetischer Quartierslösungen auf. Je intensiver man über die nachdenkt, desto mehr gewinnt Frank Schades Idee der im Quartier intelligent vernetzten E-Auto- und Hausspeicher an Format und Gewicht.

Energetisch starke Neubauten müssten mit auch nach ihrer Sanierung unterstützungsbedürftigen Bestandsobjekten verknüpft werden. Gewerbebauten mit ihren riesigen solaren Dachpotenzialen und hohem Tagesbedarf (wie Supermärkte) müssten energetisch mit großen Mehrfamilienwohnhäusern vernetzt werden und deren Bewohner dann jeden Abend mit 20, 30 oder 90 EPkw an die bidirektionalen Ladesäulen des Quartiers andocken.

„Bis 2050 wollen wir den gesamten Volkswagen-Konzern bilanziell CO2- neutral machen. Bis 2025 wollen wir den CO2-Fußabdruck unserer Flotte über den gesamten Lebenszyklus im Vergleich zu 2015 um 30 Prozent reduzieren.“ Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender

In den „Steimker Gärten“ von Wolfsburg entsteht derzeit ein ganzer Stadtteil, den VW entwickelt, der aufgrund seiner Infrastruktur e-ready ist und die Ladeinfrastruktur von Anfang an mitgedacht und geplant hat.

Aber zurück zum Einfamilienhaus: Von welchen Energievolumen sollte man für ein Einfamilienhaus ausgehen? Frank Schade empfiehlt, für den Komfort- oder Haushaltsstrom eines Wohnhauses mit vier Personen aktuell circa 3.500 bis 5.000 Kilowattstunden pro Jahr anzusetzen.

Der Jahresbedarf für die Heiz- und Warmwasserversorgung – stark vom Gebäudekonzept, der Wärmepumpentechnologie und dem Nutzerverhalten abhängig – liegt erfahrungsgemäß ebenfalls zwischen 3.000 bis 5.000 Kilowattstunden. Der Strombedarf für ein Elektrofahrzeug mit etwa 13 bis 25 kWh/100 km und einer angenommenen Fahrstrecke von 15.000 Kilometern pro Jahr addiert sich auf 2.000 bis 4.000 Kilowattstunden pro Jahr.

Was ist aber mit der „Winterlücke“, jenen Monaten, in denen der selbst produzierte Solarstrom den Hausverbrauch nicht decken kann. Übernehmen das die E-Autos? Frank Schade: „Kaum.“ Die dunklen Monate müssen nach heutigem Stand der Technik durch die Kombination ausreichend großer Erzeugungsmengen von CO2-neutralem Strom überbrückt werden.

In jedem Fall könnten VW und seine Kunden mit den E-Pkw der neuen Generation und intelligenter Kopplung mit Gebäuden, an denen Frank Schade und Marco Perschke arbeiten, mehr und mehr zum Energieversorger und -dienstleister werden.“

Weitere Informationen erhalten Sie hier.